Junge Talente lösen herausfordernde Praxis-Cases
Die Neuausrichtung eines Industrieausrüsters, Freizeitangebote eines Bahnunternehmens für junge Zielgruppen, eine Plattform für Elektroschrott-Recycling: Solche und andere realen Aufgabenstellungen konnten Jungtalente am zweiten Next.Entrepreneur Bootcamp in Baden bearbeiten. Auftraggeber waren deutsche sowie Schweizer Firmen mit aktuellen Herausforderungen.
«Die Veranstaltung war ein voller Erfolg», sagt Thomas Eichenberger, Leiter der Geschäftsstelle des Bildungsnetzwerks Aargau Ost. Dieser führte in Zusammenarbeit mit dem Verein Pioneer City und der Company Factory aus Winterthur nun bereits zum zweiten Mal das – Anfang Jahr als Pilotprojekt der Company Factory gestartete – Next.Entrepreneur Bootcamp durch.
Natürlich ging es in diesem Bootcamp nicht darum, durch den Dreck zu robben. Eine Challenge war es trotzdem: Die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten 48 Stunden lang Zeit, unternehmerische Herausforderungen zu bewältigen – keine erfundenen, sondern reale Business-Cases, beigesteuert von existierenden und vor Ort vertretenen Unternehmen. «Next.Entrepreneur» ist kein traditioneller Hackathon, es herrscht mehr Interdisziplinarität, und es gibt mehr direkte Kontakte zwischen KMU und den Teilnehmenden», sagt Thomas Eichenberger. Ein Bootcamp in diesem Sinn ist eine gute Gelegenheit für Firmen, Nachwuchskräfte zu kennenzulernen und zu rekrutieren.
Work Life Aargau ist Hauptsponsor dieses neuen Formats, bei dem Arbeitgebende und Fachkräfte zusammentreffen. Für ein erfolgreiches Fachkräfte-Marketing reicht es heute nicht mehr, eine Stelle auszuschreiben. Das Unternehmen wird als Arbeitgeber zu einer eigenständigen Marke, das sich positionieren und Marketing betreiben muss – zum Beispiel mittels eines solchen Scouting-Anlasses wie dem Next.Entrepreneur Bootcamp.
Die Teilnehmenden waren hauptsächlich Studierende gegen Ende ihres Bachelor- oder Master-Studiums aus dem Raum Aargau und Zürich, daneben aber auch Personen mit einer gewissen Berufserfahrung. «Uns ist wichtig, dass nicht der akademische Abschluss als einziger Massstab gilt, sondern die Qualität der Bewerbung und das persönliche Engagement», sagt Marius Feurer von der Company Factory. So war ein Teilnehmer ein Erstsemester-Student, der bereits ein Start-up gegründet hatte.
Mit Design Thinking zum Prototyp
Die Jungtalente erhielten im Vorfeld eine Toolbox in Form eines Booklets. Darin erklären die Coaches die Methodik. Als Hauptwerkzeug wurde den 18 Teilnehmenden der Design Thinking-Ansatz an die Hand gegeben, der für die Problemlösung und Innovationsfindung die Nutzer:innenperspektive einnimmt, die Bedürfnisse der Zielgruppen aber immer auch mit der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Tragbarkeit von Prototypen abgleicht. Vor Ort ging es mit der Vorstellung der sechs Cases los, die anschliessend von Dreiergruppen in mehreren Sessions bearbeitet wurden.
Wer die Aufgabestellungen gelesen hat weiss: Trivial ist eindeutig die falsche Bezeichnung für die Problemstellungen, welche die Jungtalente am Next.Entrepreneur Bootcamp bearbeiten. Von der Neuausrichtung eines eingefleischten Familienunternehmens über gänzlich neue Produktinnovationen bis hin zur Erschliessung neuer Zielgruppen und -märkte waren die meist sehr offen gehaltenen Aufträge ausgesprochen komplex und herausforderungsreich. Nichts weniger als die «Gestaltung der kreativsten Marketingkampagne für die passende Zielgruppe eines neuen Produkts der Sharing Economy» erwartete beispielsweise Office LAB, Marktleader der Schweizer Coworking Space-Anbieter.
7 Minuten, um das Konzept zu «verkaufen»
Gut verköstigt und die eine oder andere Nachtschicht hinter sich bereiteten sich die Teilnehmenden auf die Pitches vor, die als Krönung am Abschlusstag stattfanden. Jede Gruppe hatte 7 Minuten Zeit, ihre Idee zu «verkaufen» und danach 4 Minuten Zeit, kritische Fragen zu beantworten. Anschliessend zog sich die Fachjury zur Beratung zurück. Die Spannung stieg. Wer würde die Preisgelder von insgesamt 5100 Franken einheimsen?
«Durch die Coachings vor Ort und den breitgefächerten Background der Teilnehmenden war es möglich, sehr kreative und spannende Outputs zu generieren», sagt Marius Feurer, Projektleiter des Next.Entrepreneur Bootcamps, rückblickend. Und Thomas Eichenberger ergänzt «die Teilnehmenden, die Auftraggebenden und die Organisatoren waren begeistert.»
Am meisten Begeisterung löste das entworfene Konzept zur strategischen Weiterentwicklung der Teamtechnik Industrieausrüstung GmbH aus dem süddeutschen Ingersheim aus. Thomas Vogel, Christian Oertle und Luca Stalder, die den Case bearbeiteten, machten konkrete Vorschläge, wie ausserhalb des Kerngeschäfts des B2B-Vertriebs zukünftig auch B2C-Kanäle angegangen werden können. Die Jury bewertete den vorgelegten Prototypen als sehr gut uns sprach dem Dreierteam den ersten Rang zu.
Den zweiten Platz ergatterten die Berner Betriebswirtschaftsstudenten Rafael Probst, Dominik Breed und Lukas Egli mit ihrem Vorschlag, wie es dem Bahnunternehmen BLS gelingen kann, sein Freizeitangebot für die Zielgruppe der um die 30-Jährigen zu einem einzigartigen Spiele-Erlebnis zu machen. Die Gewinner des dritten Platzes heissen Luca Martignoni, Liam Mörker und Livio Pagliari. Sie skizzierten einen Marktplatz bzw. eine Informationsplattform zur Wiederverwendung und effizienteren Kreislaufwirtschaft von Elektroschrott. Auftraggeberin war die Stiftung SENS eRecycling.
Es geht weiter
Das Next.Entrepreneur Bootcamp werde jetzt weiterentwickelt, sagt Thomas Eichenberger, erste Gespräche für 2022 laufen. Vorerst findet nochmals ein Bootcamp statt: vom 12. bis 14. November in Schwanden im Kanton Glarus. Hier geht es zur Bewerbungsplattform.